Die Mühlendammbrücke

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Geschichte

Mühlendamm 1902 (Waldemar Titzenthaler) / gemeinfrei

Links im Bild das Sparkassengebäude, dass die historischen Mühlengebäude ersetzt. Um 1900 ist der Mühlendamm nicht mehr beidseitig bebaut, sondern bereits teilweise zum Wasser geöffnet, im Norden teilweise, im Süden fast vollständig. Er bietet eine äußerst repräsentative Ansicht, von der Straße und vom Wasser aus.

Der Mühlendamm ist die erste urkundlich erwähnte Querung der Spree und gilt als Ursprung der spätmittelalterlichen Doppelstadt Berlin-Kölln, die sich ab ca. 1200 beidseitig der Spree um Nikolaikirche und Molkenmarkt sowie um Petrikirche und Köllnischen Fischmarkt entwickelt. Der Mühlendamm dient anfangs sowohl als Wehr als auch als Mühlenstau.

Der enge Mühlendamm zeigt sich als eine der belebtesten Geschäftsstraßen Berlins, die 1687 durch den Bau der Nehringschen Kolonnaden aufgewertet werden.

1891 führen zehn Pferdelinienbahnen über den Mühlendamm, der nach seinem Umbau 1894 26,5 Meter breit ist. Die Bürgersteige messen je 5,75 Meter.

Seit 1894 gibt es eine Schleuse am Mühlendamm.

In den 1920er Jahren plant die Stadt eine Verbreiterung des Mühlendammes auf 37 Meter und den Bau einer Zweikammerschleuse.

Zur Ersetzung des festen Mühlendammes durch eine Brücke wird 1935 eine noch steilere Rampe für die Spreeüberquerung notwendig. Verbunden mit den Plänen der Nationalsozialisten zur Schaffung eines „Altstadtforums“ vor dem Stadthaus und einer repräsentativen Zuwegung wird das Ephraimpalais abgebrochen. Das Grundstück dient fortan als Zufahrt zu einer Behelfsbrücke, die den Verkehr während der Bauarbeiten aufnimmt.

1935 beginnen die Abbrucharbeiten, 1939 ist die Behelfsbrücke fertig gestellt und das Ephraim-Palais verschwunden, 1940 wird die neue Schleuse südöstlich des historischen Standorts fertig.

In den letzten Kriegstagen des Zweiten Weltkriegs wird die Behelfsbrücke von deutschen Soldaten gesprengt.

Nach Kriegsende wird die zerstörte Behelfsbrücke provisorisch wieder aufgebaut.

Dem provisorischen Wiederaufbau folgt ab 1964 der Abbruch der alten Schleusenreste. 1966 bis 1968 entsteht die heutige Spannbetonbrücke mit einer Breite von 45,2 Metern.

Diese Brücke ist bis heute vorhanden, nach Angaben der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz jedoch in schlechtem Zustand, so dass sie erneuert werden muss.

Informationen zur Mühlendammbrücke auf den Seiten von SenUVK
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Protest und Petition

Im März 2019 bildete sich eine Allianz für einen neuen Mühlendamm, dem folgende Initiativen und Vereine angehören:
Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin e.V. seit 1824 | Berliner Fahrgastverband IGEB e.V. | Berliner Historische Mitte e.V. | Bürgerforum Berlin e.V. | Bürgerverein Luisenstadt e.V. | Council for European Urbanism Deutschland C.E.U.D. | Forum Stadtbild Berlin e.V. | Fuss e.V. | Gesellschaft Historisches Berlin e.V. | Initiative Bundesplatz e.V. | Landesgeschichtliche Vereinigung für die Mark Brandenburg e.V. gegr. 1884 | Planungsgruppe Stadtkern | Verein für die Geschichte Berlins e.V. gegr. 1865 | werkbund berlin e.V

Das Bündnis macht in einem Schreiben an Verkehrs- und Stadtentwicklungssenatorin deutlich, dass der angestrebte Neubau der Mühlendammbrücke völlig konträr zu den politisch formulierten und in der Koalitionsvereinbarung veröffentlichten Zielen für eine Reduzierung des Autoverkehrs und die Stärkung aller anderen Nutzer des öffentlichen Raums steht.

Link zur Seite mit den Forderungen [öffnet in neuem Fenster]

Auf dieses Schreiben gab es weder von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen noch von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz eine Reaktion.

Demo gegen den autogerechten Ausbau der Mühlendammbrücke. 7.9.2019, Changing Cities (Foto: Norbert Michalke)

Am 7. September 2019 fand eine Demo gegen den geplanten, überdimensionierten Neubau auf der Brücke statt, unterstützt von einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis. Neben verkehrs- und umweltpolitischen Initiativen waren auch stadtentwicklungs- und stadtgeschichtliche Initiativen darin vielfältig vertreten.

Dinosaurier setzten sich für die Rückwärtsgewandtheit der Brückenplanung ein. Selbst diese Dinosaurier konnten aber nach zähem Ringen durch die (besseren) Argumente der Protestierenden von den Vorteilen einer „besseren Brücke“ überzeugt werden.

Die Medienaufmerksamkeit war an diesem Tag allerdings nicht auf die Brücke gerichtet, sondern auf die vier getöteten Fußgänger an der Invalidenstraße (die meisten werden sich daran erinnern).

Bildschirmausschnitt der Petitionsseite auf change.org

Link zur Change.org-Seite [Link öffnet in neuem Fenster]

Die IG Leipziger Straße hat, unterstützt von Changing Cities und dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) im Herbst 2020 eine Petition auf Change-org gestartet, die innerhalb kurzer Zeit mehr als 600 Online-Unterstützer gefunden hat.

Inhalt der Petition war der Protest gegen den überdimensionierten und damit völlig überteuerten Brückenneubau, der in keiner Weise dem Ort und einer zukunftsfähigen Stadt- und Mobilitätsentwicklung entspricht.

Bereits die Annahmen veralteter, viel zu hoher, heute längst nicht mehr gültiger Verkehrszahlen (aus einer Verkehrszählung von 2014 (!) als Grundlage für verkehrspolitische Entscheidungen wurde kritisiert.

Eine direkte Reaktion der angesprochenen Verkehrssenatorin, Regine Günther, ihres Staatssekretärs Ingmar Streese und von Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel an die Initiative gab es übrigens nicht.

Die Petition sehen wir als Teil des notwendigen zivilgesellschaftlichen Drucks, ohne den öffentliche Bauaufgaben in Berlin offenbar nicht gut funktionieren.

Wettbewerb

Derzeit findet ein Realisierungswettbewerb für den Neubau der Brücke statt. Die Wettbewerbsauslobung ist veröffentlicht und auf den Seiten der Senatsverwaltung [Link öffnet in neuem Fenster] verlinkt.

War ursprünglich vorgesehen, einen 1 zu 1 Wiederaufbau der Brücke auszuschreiben, bei dem die Dimension nicht in Frage gestellt war, sondern hauptsächlich technische und gestalterische Fragen geklärt werden sollten, ist durch zivilgesellschaftlichen Druck und politische Einflussnahmen inzwischen die Wettbewerbsaufgabe etwas modifiziert worden: Die Breite der neuen Brücke soll verringert werden und über den Realisierungsteil des Wettbewerbs wird ein Ideenteil Bestandteil des Verfahrens, der zukünftige Verkehrsanforderungen weitergehend berücksichtigt.

Das Verfahren wurde in den letzten Monaten entsprechend angepasst, die Informationen sowohl zum Zustand der Brücke als auch zu den genauen Abläufen des Verfahens unterliegen aber steten Änderungen. So sind in den letzten Wochen so genannte Stakeholder-Interviews geführt worden, die Öffentlichkeit darf sich sage und schreibe 13 Tage auf Mein.Berlin.de [Link öffnet in neuem Fenster] beteiligen und es findet eine so genannte Bürger*innenveranstaltung am 23. März statt.

Wir befürchten, dass es, ähnlich wie bei vergangenen Veranstaltungen, eher um Information und Erläuterung geht, als um einen echten Diskurs zu den Inhalten des Wettbewerbs.

Update zum Wettbewerbsergebnis

Das Wettbewerbsergebnis liegt vor. Und es erfüllt uns nicht mit Freude. Ganz im Gegenteil.

An dieser Brücke ist so viel falsch. Aber sie entspricht halt sehr genau den Vorgaben. Das zeigt eigentlich nur, wie falsch die Vorgaben waren. Und wie die Beteiligten zum „Erfolg“ innerhalb dieser absurden Rahmensetzung verdammt sind.

Genug Menschen, auch wir als Netzwerk Fahrradfreundliche Mitte / Changing Cities Central haben genau vor so einem Ergebnis gewarnt. Aber das wird wahrscheinlich als „erfolgreiches Beteiligungsverfahren“ verbucht. (Nachtrag: Ja, wird es). Und auf der Information zum Siegerentwurf werden hauptsächlich positive Stimmen aus der Beteiligung gennannt. Auch das verwundert kaum.

Wir hatten, als wir uns den Entwurf zur neuen Mühlendammbrücke ansahen, befürchtet, dass es äußerst unangenehm sein muss, sich auf den tieferliegenden Seitenbereichen aufzuhalten. Aber zur Sorge besteht kein Grund, denn bei der weiteren Aufheizung unserer Stadt, zu der die Brücke maßgeblich beitragen wird, kann man sich ohnehin nicht auf ihr aufhalten. Denn es gibt nicht mal den Versuch, Schattenplätze zu schaffen, in denen das möglich wäre. Das nennen wir wirklich zukunftsblind.

Mehr Informationen unter https://www.berlin.de/sen/uvk/verkehr/infrastruktur/brueckenbau/muehlendammbruecke/

Genaueres zum Wettbewerbsergebnis und den (wenigen) Überarbeitungsanforderungen unter Mein Berlin: https://mein.berlin.de/projekte/neugestaltung-der-muhlendammbrucke-in-berlin-mitte/

Schön gerendert ist sie ja, die „Verkehrswendebrücke“. Das ist aber auch schon alles. Was fehlt diesem Bild: Der Verkehrslärm, der bei Tempo 70+ entsteht (warum sollte sich die Geschwindigkeit gegenüber heute verringern?), die Abgase (im Nebel nur leicht angedeutet), der Gestank, das nicht schlafen können von tausenden Menschen in ihren Wohnungen. Und die Angst, die dabei mitschwingt, sich neben einer höher gelegenen Schnellfahrstraße „gemütlich“ aufzuhalten. Aber so sind Renderings halt und Manche (Jurys) lassen sich davon noch immer überzeugen. Was zu beweisen war. Nicht umsonst gibt es inzwischen Wettbewerbe, bei denen solche Schönfärbereien-Renderings schlicht nicht mehr zugelassen werden.

P.S.: Was fehlt auf dem Bild? Richtig! Die Dinosaurier!!

Das Bild ist eine Verlinkung auf die Seite der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (ARUP/COBE SenUVK)
https://www.berlin.de/sen/uvk/_assets/verkehr/infrastruktur/brueckenbau/muehlendammbruecke/muehlendammbruecke_raeumliche-darstellung_03.jpg

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