Brücken bauen

Bild der Mühlendammbrücke mit freundlicher Genehmigung von Hendrik Blaukat

Eine neue Brücke soll gebaut werden. Als Ersatz für eine Brücke, die nach all den Jahren der Benutzung durch einen immer stärkeren Strom von Kraftfahrzeugen offenbar verschlissen ist.

Eine gute Sache.

Oder etwa nicht?

Interessant wird es, wenn wir etwas genauer hinschauen:

  • auf den Ort, an dem die Brücke erneuert werden soll;
  • darauf, was für eine Brücke gebaut werden soll;
  • auf die Art, wie die Berlinerinnen und Berliner am Verfahren beteiligt werden (oder eben nicht);
  • wie neben verkehrlichen auch andere für die Stadtentwicklung wichtige Aspekte berücksichtigt werden (oder eben nicht).

Wir befinden uns in der Mitte der Stadt. Dieser Ort ist für Ortsfremde nicht leicht als solcher zu erkennen. Selbst von Berlinerinnen und Berlinern werden Sie ganz unterschiedliche Antworten erhalten, wenn Sie nach der „Stadtmitte“ fragen. Ja, es gibt einen U-Bahnhof der so heißt, der liegt allerdings weit weg vom historischen Zentrum der Stadt Berlin. Von der polyzentralen Struktur der Stadt wollen wir gar nicht erst anfangen.

Wichtige Anhaltspunkte liefert die Geschichte: Warum liegt Berlin dort, wo es liegt? Und warum befinden wir uns – historisch – vielleicht gar nicht in Berlin, sondern in Kölln, wenn wir die Spree überquert haben oder überqueren wollen?

Gründungsort

Die Ursprünge der Doppelstadt Berlin / Kölln entstehen im 13. Jahrhundert dort, wo für Handelswege ein einigermaßen günstiger Übergang über die dort flache Spree, also eine Furt, besteht. Auf der Seite nordöstlich der Spree entsteht Berlin, auf der südwestlichen Seite Kölln, das bis 1710 eine eigenständige Stadt bleiben wird.

Karl Friedrich Klöden, Karte Berlin und Cölln um 1230 (Quelle: wikipedia.org, Gemeinfrei)

Die Zeichnung, eine phantasievolle (und nicht ganz zutreffende) Rekonstruktion aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zeigt wesentliche städtische Elemente, je eine Kirche mit Kirchhof (in Berlin die Nikolaikirche, in Kölln die Petrikirche), Marktplätze, Handels- bzw. Niederdlagegebäude am Wasser.

Neuere archäologische Grabungen in der Berliner Mitte zeigen inzwischen ein vollständigeres Bild der Stadtwerdung und der Lebensverhältnisse in den Anfängen, die wohl mindestens ein halbes Jahrhundert weiter zurück reichen als die Ersterwähnung von Kölln 1237.

Eine besonders liebevolle Erzählung zu den Anfängen von Kölln finden Sie in der Archäologie am Petriplatz: ➞ Paar hielt sich 600 Jahre an den Händen [externer Link zu einem Tagesspiegel-Artikel aus dem Jahr 2012 – öffnet in neuem Fenster]

Historische Stadtmitte

Quelle: Johann Marius Friedrich Schmidt: Historischer Atlas von Berlin in VI Grundrissen nach gleichem Maßstabe von 1415 bis 1800 (ZLB, Gemeinfrei)

Das Kartenbild von 1688 zeigt am Ort des einstigen Spreeübergangs zwischen Kölln (gelb) und Berlin (rötlich) den Mühlendamm, keine Brücke, sondern einen Damm mit u. a. Mühlen-Gebäuden, der die Spree versperrt. Die Schiffahrt erfolgt durch den Spreekanal am Westrand von Kölln, der durch die Gertraudenbrücke überspannt wird. Bereits in der Kartendarstellung wird deutlich, dass die Baublöcke mit ihrer Bebauung in diesem Bereich bis unmittelbar ans Ufer reichen. Der Gründungsort ist als Flussübergang vom Damm selbst aus kaum wahrzunehmen.

Noch verbindet der Mühlendamm Marktplätze als Straßenaufweitungen an den beiden Enden: den Molkenmarkt auf Berliner und den Köllnischen Fischmarkt auf Köllner Seite. Das setzt sich nach Südwesten fort: Jenseits des Spreekanals befindet sich auf dem Friedrichswerder der Spittelmarkt.

Wir können schon vorwegnehmen, dass wir uns auf dieser Webseite nicht nur um die Brücken, sondern auch um die Plätze als unmittelbar damit zusammenhängende Elemente der Stadtmitte kümmern werden.

Der Weg durch die Altstadt

Luftbild 1928, Quelle: Geodaten Berlin, Luftbilder 1928

Das Luftbild von 1928 zeigt die dicht bebaute Stadt vor den Eingriffen im Nationalsozialismus und vor der Kriegszerstörung im zweiten Weltkrieg. Der Mühlendamm ist noch immer bebaut und zeigt dennoch ein sichtbar großzügiges Straßenprofil. Die kleinteilige Abfolge der Plätze vom Spittelmarkt am unteren Bildrand links über Köllnischen Fischmarkt bis zum Molkenmarkt als dreieckige Platzaufweitung am oberen Bildrand sind gut zu erkennen.

Wie wir uns den Weg durch die historische Altstadt vorstellen müssen, hat Lutz Mauersberger in einem kleinen Bildspaziergang erklärt, den wir in Kürze an dieser Stelle verlinken werden. Die Brücken sind dabei nicht nur wichtige Flussquerungen, sie markieren auch den historischen Hauptweg durch die Altstadt, hinein am Spittelmarkt, vorbei an Petrikirchplatz, Köllnischem Fischmarkt, Molkenmarkt, über die Spandauer Straße und dann am roten Rathaus rechts bis hinaus aus der Altstadt zum Alexanderplatz.

[Der Link wird in Kürze ergänzt]

Die Brücken des DDR-Hauptstadtzentrums

Neue Mühlendammbrücke 1978 Bundesarchiv, Bild 183-T0913-0301 / Fotograf Horst Sturm / Lizenz: CC-BY-SA 3.0 [Link öffnet in neuem Fenster]

Das Bild von 1978 zeigt ebenfalls den historischen Gründungsort unserer Stadt. Allerdings im wahrsten Sinne des Wortes begraben unter einer autobahnähnlichen Anlage, die weiter hinten im Bild auch den Bereich des historischen Molkenmarkts breit überspannt.

Die ursprünglich konzipierten Anlagen für Fußgängerinnen und Fußgänger sind übrigens ebenfalls großzügig dimensioniert: breite Gehwege, eine großzügige Treppenanlage nördlich und eine geschwungene, frei tragende Treppe südlich der Brücke, um zum Ufer zu gelangen, an dem eine Verbindung am Wasser entlang besteht. In dieser Großzügigkeit allerdings nur möglich durch die auch bauartbedingt begründete wesentlich höhere Lage der neuen Mühlendammbrücke zur historischen Situation.

Anders als bei der Gertraudenbrücke, bei der die historische Brücke, wenn auch verbreitert, erhalten und um eine unabhängige Neubaubrücke daneben ergänzt wird, macht die „moderne“ Mühlendammbrücke den Bezug zum historischen Ort unkenntlich.

Genau um diese Brücke geht es aktuell. Sie soll – allenfalls etwas schmaler – neu errichtet werden um hauptsächlich der Abwicklung von Verkehr zu dienen. Dem Gründungsort Berlins und der zukunftsfähigen Entwicklung der historischen Mitte wird das nicht gerecht.

Hier geht es weiter zu den einzelnen Brücken: