Die Petition zur Mühlendammbrücke

Am 7. September 1919 hat ein großes Bündnis von stadt- und verkehrspolitisch engagierten Initiativen und Einzelpersonen eine Demonstration auf der Mühlendammbrücke veranstaltet. Dinosaurier traten auf und propagierten ein „weiter so“ in der überdimensionierten, stadt- und menschenfeindlichen Verkehrsplanung des Berliner Senats. Das war natürlich ironisch gemeint und die Dinosaurier haben sich am Ende tatsächlich überzeugen lassen, dass nicht mehr Dreck, mehr Krach und noch größere Autos und Geschwindigkeiten das Ziel sein müssen, sondern weniger von Allem. Dies fand kaum Wiederhall in den Medien – Sie erinnern sich vielleicht, dass einen Tag zuvor vier Menschen in der Invalidenstraße getötet wurden – das Nr. 1 Thema zur verkehrspolitischen Berichterstattung in jenen Tagen.

Seitdem sind eineinhalb Jahre vergangen. Die zuständige Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz blieb unbeeindruckt und trieb das bisherige Projekt weiter voran. Dabei verlor sie keinen Gedanken an eine Brückenplanung, die dem Standort, seiner Geschichte als Gründungsort unserer Stadt und dem historischen Fehler eines stadtautobahnmäßig dimensionierten Straßendurchbruchs in Rufweite der höchsten Bevölkerungskonzentration im Bezirk Mitte gerecht wird.

Im Gegenteil: Die Brücke soll genauso, wie sie ist, wieder errichtet werden. Nur die Aufteilung des Verkehrsraums auf dieser überbreiten Trasse soll etwas angepasst werden.

Aus gut unterrichteten Kreisen wurde nun bekannt, dass dieser Tage eine Ausschreibung im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden soll, die die Stadtzerstörung für die nächsten 50 Jahre fortschreibt. Die neue Brücke soll in einem Planungswettbewerb geplant werden, dabei geht es aber höchstens um technische und gestalterische Optimierungen unter Beibehaltung der Breite und Lage der bisherigen Brücke. Kosmetisch wird dabei auf der Brücke der Verkehr neu geordnet – auch das in einem starr vorgegebenen Raster.

Offiziell gibt es dazu keine Informationen. Die Mühlendammbrücke wird ganz am Rande der Molkenmarktplanung erwähnt, ein eigenes Kapitel auf den Internetseiten von SenUVK war offenbar nicht erwünscht. Dort hätte nämlich genau dies stehen müssen: Wir beabsichtigen, die Brücke einfach wieder genauso aufzubauen, wie sie heute ist, weil es einfacher ist und schneller geht. Ach ja. Teurer ist es natürlich auch, denn eine angemessen dimensionierte Brücke wäre sicher nicht nur schmaler, sondern auch kostengünstiger.

Jetzt könnte man sagen: Das ist ja nur ein Wettbewerb, da ist es bis zur Umsetzung noch ein langer Weg. Das Fatale ist jedoch, dass die Anforderungen an die Brücke nicht nachträglich geändert werden können, sonst gilt das langwierige EU-weite Verfahren als fehlerhaft und muss wiederholt werden. In der Ausschreibung werden jedoch alternative Überlegungen zu einer stadtgerechteren Brücke ausgeschlossen. Die Verwaltung legt also das Ergebnis des Wettbewerbs ohne parlamentarische Befassung und ohne irgendeine Art von Beteiligungsverfahren fest, am Ende geht es nur um Feinheiten der Ausführung.

Das ist aus mehreren Gründen falsch:

  • So ein wichtiges Projekt für die Berliner Stadtentwicklung und die künftige Verkehrslösung der Berliner Mitte kann kein Geschäft der laufenden Verwaltung sein. Es bedarf der Beteiligung der Bürgerschaft und Fachöffentlichkeit sowie der parlamentarischen Befassung – unabhängig von Zuständigkeiten neben dem Abgeordnetenhaus auch in der BVV.
  • Die Planung nur aus pragmatischen Gründen auf einen reinen Ersatzneubau zu beschränken, weil dann der Neubau ohne Planfeststellungsverfahren rascher umgesetzt werden kann, ist der Aufgabe nicht angemessen. Das Zeitargument trägt nicht, denn es waren 20 Jahre Zeit, die mit Nichtstun verstrichen sind. Die Planungen zum Mokenmarkt sind ca. 10 Jahre alt. Da hätte mit der Vorbereitung angefangen werden müssen und es wäre genug Zeit gewesen, gute Lösungen zu entwickeln. Die übliche Altersgrenze von Brücken dieser Bauart und damit der Planungsbedarf waren SenUVK rechtzeitig bekannt.
  • Die Brücke wird durch die Überdimensionierung voraussichtlich um einen zweistelligen Millionenbetrag teurer als nötig. Auch höhere Unterhaltskosten werden damit in Kauf genommen.
  • Die Planungsvorgabe ist gesetzeswidrig, sie widerspricht dem Berliner Mobilitätsgesetz.
    (in folgenden Punkten …)
  • Die Planungsvorgabe berücksichtigt darüber hinaus nicht die vor und hinter der Brücke bereits gesetzten Reduzierungen der Fahrbahnbreiten und Fahrspuren.
  • Die Planungsvorgabe setzt die Straßenbahn in Mittellage, was Konflikte beim Ein- und Aussteigen hervorruft.
  • Die Planungsvorgabe verhindert Querungsmöglichkeiten auf der Brücke und schafft damit nicht nur unnötige Barrieren, sondern sie ist auch unflexibel für Anpassungen an künftige Entwicklungen.
  • Die Planungsvorgabe berücksichtigt in keiner Weise Anforderungen an die Klimaanpassung.
  • Im Gegensatz zu anderen Planungen mit deutlich geringeren zeitlichen Bindungen spielt für die Planung der Mühlendammbrücke keine Rolle, ob schon ein Gesamtverkehrskonzept für die Berliner Mitte vorliegt (lt. SenUVK z. B. Voraussetzung für die Reduzierung des motoriseirten Verkehrs Unter den Linden).
  • Das Vorgehen widerspricht mehreren Punkten in der Koalitionsvereinbarung (in folgenden Punkten …) (das wäre uns ziemlich schnuppe, vertieft aber das Misstrauen Vieler in die Verlässlichkeit der Berliner Politik an sich).

Wir fordern:

  • Aufhebung der Ausschreibung
  • Einbeziehung der Brückenplanung in die laufende öffentliche Debatte zur Berliner Mitte mit Sicherstellung angemessener Mitwirkungsmöglichkeiten. Sofortiger Beginn eines transparenten, öffentlichen Verfahrens (z. B. ohne deutlichen Mehraufwand im Rahmen der Aktivitäten der Stadtwerkstatt Berliner Mitte und zum Molkenmarkt möglich).
  • Sofortige Initialisierung der Erarbeitung eines Gesamtverkehrskonzept für die Berliner Mitte / AZG-Gebiet unter Einbeziehung der Stadtöffentlichkeit und unabhängiger Fachleute
  • Sondierung von Beschleunigungsmöglichkeiten des Verfahrens zum Brückenbau und zur Kreuzung von Bundesstraße und Bundeswasserstraße sowie provisorischer Lösungen, um die ausdrücklich durch die Senatsverwaltung zu verantwortende Verzögerung zu kompensieren.
  • Erstellung einer Ausschreibung für die Planung der Brücke, die Klimaschutz- und Klimaanpassungsaspekte mit berücksichtigt sowie Optionen für eine flexible Anpassung an die Veränderung der Mobilität im 21. Jahrhundert unter Vorrang des Umweltverbunds zulässt.und dem Ort gerecht wird